Badener Integrationsgespräche: Nationalismus und Integration

Am 18. März fand die dritte von insgesamt fünf Diskussionsabenden der Badener Integrationsgespräche „ZusammenReden“ unter reger Beteiligung des Publikums statt. Organisiert von der Caritas Wien in NÖ, dem Integrationsbeauftragten der Stadt Baden Ferdinand Türtscher und dem Verein Menschen.Leben wird bis Juni 2010 monatlich ausführlich über Themen debattiert, die die BewohnerInnen der Region interessieren und bewegen.

Stefanie Mayer, Politikwissenschafterin am Institut für Höhere Studien, IHS, betonte gleich zu Beginn der Veranstaltung, dass der Begriff „Integration“ in der Öffentlichkeit höchst unterschiedlich interpretiert und diskutiert wird und man sich zuerst fragen sollte, über was genau man spreche. Die Forderung, MigrantInnen hätten sich einseitig an die sogenannte Mehrheitsgesellschaft anzupassen, sei auf jeden Fall abzulehnen. Der Moderator Thomas Schmidinger von der Universität Wien stellte klar, dass aus seiner und aus Sicht der Caritas Integration immer einen wechselseitigen Prozess darstelle, an dem sich alle Beteiligten gleichberechtigt einbringen können sollten. „Dieses Land täte gut daran, endlich zu akzeptieren, was seit langem Tatsache ist: Österreich ist ein Einwanderungsland“, so Mayer.


Der heute aus Fernsehen und Radiointerviews bekannte bosnisch-österreichische Politikwissenschafter und Autor Vedran Džihic erzählte zunächst anekdotisch von seiner Ankunft in Österreich im Jahr 1993. Er war als Flüchtling aus Ex-Jugoslawien mit seiner Familie monatelang im Flüchtlingslager Traiskirchen untergebracht und kann sich lebhaft an diese Zeit als Jugendlicher erinnern: „Wir sind immer über die Mauern des Lagers gesprungen, damals gab es noch keine Kameras und von Internierung war auch noch nicht die Rede. Dann sind wir nach Baden gefahren und haben den Sommer 1993 praktisch im Park dieser schönen Stadt verbracht.“ Mit dem Nationalismus der verschiedenen Flüchtlingsgruppen innerhalb des Lagers wurde seine Familie gleich zu Beginn konfrontiert: seine Mutter, die der ukrainischen Minderheit Bosniens angehört, geriet in Konflikt mit anderen Flüchtlingen der selben Minderheit, die seinen Vater, nominell muslimisch-bosnischer Herkunft, nicht akzeptierten. „Der Ethnonationalismus diverser Gruppen wird heute von der FPÖ gezielt instrumentalisiert.“ Es ginge dabei nicht nur um Wählerstimmen, so Džihic, sondern um das Auseinanderdividieren von Migrantencommunities – Türken versus Kurden, Serben versus Bosniaken, etc. Eine höchst gefährliche Entwicklung, der man mit Aufklärung entgegensteuern müsse.


Auf die Frage eines marokkanisch-österreichischen Diskutanten aus dem Publikum, „welche Medizin er nun gegen die Krankheit Nationalismus“ verschreiben würde, antwortete der Psychoanalytiker der Sigmund Freud Privatuniversität Felix de Mendelssohn, dass der Nationalismus für viele Menschen auch identitätsstiftend wirke. Anfällig hierfür seien vor allem Menschen, bei denen das Selbst- und das Fremdbild nicht übereinstimme. Dass dies im gleichen Ausmaß auf MigrantInnen wie auch auf die Mehrheitsgesellschaft zutreffe, darüber war sich Podium und Publikum einig. Eine weitere Wortmeldung aus dem Publikum kam von einem Vater, der über seinen Sohn und dessen Schulfreunde erzählte: „Das Angebot von rechten Parteien hierzulande an die Jugend ist erschreckend attraktiv. Mein Sohn stammt aus einer offenen und liberalen Familie, er hatte nie mit nationalistischem oder deutschnationalem Gedankengut Kontakt. Trotzdem sehe ich, wie einige seiner Freunde in diese Richtung tendieren, und das bereitet uns Eltern Sorgen.“

 Ihren Sorgen freien Lauf ließ auch eine junge Migrantin aus dem Publikum, als sie beklagte, dass sie noch nie in das Haus von ÖsterreicherInnen eingeladen wurde, und dass es an Orten der Begegnung mangle. „Sie wissen so wenig über uns, und wir wissen wenig über sie!“ Mary Kreutzer von der Caritas Wien wies in diesem Zusammenhang mit Nachdruck auf das Caritas-Projekt „Neuland“ hin. Hier werden in ganz Niederösterreich ÖsterreicherInnen und MigrantInnen, auch AsylwerberInnen, in Tandems zusammengebracht. Wer Interesse hätte, sich daran zu beteiligen, und „Neuland“ zu entdecken, sei herzlichst eingeladen, sich nach Ende der Veranstaltung bei den Caritas-MitarbeiterInnen zu melden.


Hofrat Hanspeter Beier von der Niederösterreichischen Landesregierung berichtete ebenfalls über diverse Integrationsprojekte des Landes und der Möglichkeit für migrantische Organisationen, sich Unterstützung im Integrationsservice Niederösterreich zu holen.

 
Vedran Džihic gab sich am Ende vorsichtig optimistisch: „Veranstaltungen wie diese hier und Projekte wie „Neuland“, sind der einzige Weg, um die Leute aus der Isolation zu holen und sie zusammen zu bringen. Aufklärung auf beiden Seiten ist die beste Chance, um ein gutes und friedvolles Miteinander zu ermöglichen.“

Die gesamte Veranstaltung zum Nachhören sowie alle weiteren Termine und Infos finden Sie unter www.zusammenreden.net/baden.
Informationen über das Projekt Neuland finden Sie unter www.neuland-niederoesterreich.at.
Neuland ist auch über Facebook kontaktierbar.

Das nächste Gespräch findet in Baden am Mittwoch, den 19. Mai, um 19.00 Uhr im Festsaal der Wirtschaftshauptschule (Pelzgasse 13), statt. Der Journalist Karl Pfeifer, der mit seiner Familie 1938 aus Baden vertrieben wurde, wird dann unter der Diskussionsleitung von Wolfang Machreich (Die Furche), mit Ersan Palaz von der Türkisch-Islamischen Kultusgemeinde ATİB (Bad Vöslau) und der bosnisch-österreichischen Politikwissenschafterin Dunja Larise von der Universität Wien zum Thema Religion und Integration diskutieren.