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Landau: „Arbeitslosigkeit zentrale Herausforderung der nächsten Jahre“

Sozialminister Stöger kündigt erhöhte Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik an, Draxl (AMS) neue Jugend-Projekte. Landau (Caritas) fordert erweiterten dritten Arbeitsmarkt.

In Österreich sind trotz Beschäftigungswachstum prozentuell gesehen so viele Menschen arbeitslos wie zuletzt vor über 60 Jahren. „Obwohl Österreich die Finanzkrise bisher besser meistern konnte als manch andere Länder in Europa, sind wir heute mit einer erschreckend hohen Arbeitslosigkeit konfrontiert. Arbeitslosigkeit macht häufig arm, oftmals krank und ist für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft eine große Herausforderung. Vermutlich die zentralste Herausforderung für die nächsten Jahre“, betonte Caritas Präsident Michael Landau bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Sozialminister Alois Stöger und AMS-Landesgeschäftsführerin Petra Draxl anlässlich der achten „Jobmeile“ der Caritas in Wien. 

438.654 Menschen (oder 9,4 Prozent) waren im März 2016 in Österreich erwerbslos gemeldet. Den Betroffenen stehen lediglich 36.754 offene Stellen gegenüber. Landau: „Wenn es in Wien unter den erwerbsfähigen BMS-BezieherInnen eine größere Zahl von Personen gibt, die erwerbstätig sind, als solche, die BMS in der vollen Höhe erhalten, dann wird deutlich: Arbeit, von der man leben kann, ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Und wenn auf 439.000 Menschen ohne Arbeit nur knapp 37.000 offene Stellen kommen, dann ist auch klar: Arbeitsunwilligkeit ist nicht das Thema. Wir haben ein strukturelles Problem am Arbeitsmarkt. Und dieses Problem ist Auftrag an uns alle, es möglichst rasch zu lösen.“

 

Mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik 

Arbeits- und Sozialminister Alois Stöger konnte bei der Pressekonferenz von einer deutlichen Erhöhung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik berichten. „Für die nächsten Jahre bis 2020 konnten wir zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik sicherstellen“, berichtete Stöger. So steht vor allem für ältere ArbeitnehmerInnen, Lehrlinge und die Integration von Schutzberechtigten mehr Geld zur Verfügung. „Mein Ziel ist, dass damit noch mehr Menschen mit einer guten Ausbildung für den Arbeitsmarkt ausgerüstet werden können“, bekräftigte der Arbeits- und Sozialminister. Er sprach sich aber auch deutlich für eine europaweite Kursänderung in Richtung einer stärkeren Investitionspolitik aus: „Ansonsten wird es auch weiterhin keine wirkliche Erholung in der Konjunktur und damit auch am Arbeitsmarkt geben können.“

Ausbildungspflicht und dritter Arbeitsmarkt

Gerade vor dem Hintergrund steigender Langzeitarbeitslosigkeit begrüßte Landau die beschlossene Erhöhung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik ausdrücklich, forderte aber auch die Schaffung eines dauerhaft gestützten Arbeitsmarktes für Personen, die aufgrund ihrer Vermittlungshindernisse keine realistischen Chancen haben, wieder am ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Wir sehen es in unserer täglichen Arbeit: Die Zahl der Menschen, die weder Zugang zum Pensionssystem noch realistische Jobchancen haben, wächst. Ein Problem, das sich mit der Abschaffung der befristeten Invaliditätspension noch verschärft hat. Als Caritas fordern wir einen erweiterten dritten Arbeitsmarkt auf Dauer zu etablieren. Wir brauchen Unternehmungen und Arbeitsplätze, die auch langfristig vom AMS gefördert werden. Das Ziel muss lauten: Auch in jenen Fällen, bei denen das Wieder-Fuß-Fassen am regulären Arbeitsmarkt wenig chancenreich erscheint, sinnvolle Beschäftigung bei angemessener Entlohnung anbieten zu können.“  

Außerdem forderte die Caritas eine Überarbeitung der für Herbst geplanten Ausbildungspflicht bis 18. Landau: „Klar ist: Je geringer die Bildung, desto höher die Gefahr, arbeitslos zu werden. Eine Ausbildungspflicht bis 18 ist daher absolut zu begrüßen.“ Derzeit liege der Schwerpunkt des geplanten Gesetzes in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. „Das ist richtig, aber zu wenig. Unverständlich ist, warum der gesamte Bereich des Schulsystems kaum bis gar nicht mit in die Pflicht genommen wird. Unsere Forderung als Caritas lautet, gerade die präventiven Maßnahmen in Schulen auszubauen. Es geht um ein mehr an Schulsozialarbeit, um ein Mehr an Nachmittagsbetreuung und um ein Mehr an leistbarer Lernhilfe wie wir sie als Caritas mit den Lerncafés anbieten. Hier ist die Bundesregierung weiter gefordert.“ 

 

200 neue Transitarbeitsplätze für Wien 

„Je länger die Phase der Arbeitslosigkeit dauert, desto schwerer ist es, wieder ins Berufsleben zurückzufinden“, sagte AMS-Landesgeschäftsführerin Petra Draxl. „Die sozialökonomischen Betriebe sind ein ganz wesentliches Instrument, um Menschen behutsam wieder an das Erwerbsleben heranzuführen – hier geht es darum, sich wieder an Teamarbeit zu gewöhnen, an einen strukturierten Tagesablauf, aber es geht auch um die Wiedererweckung des Selbstvertrauens, das man für jeden Job braucht.“ Für sozialökonomische Betriebe, gemeinnützige Beschäftigungsprojekte und Projekte der gemeinnützigen Überlassung stellt das AMS Wien heuer daher mehr als 75 Millionen Euro zur Verfügung, alles in allem erwachsen daraus fast 10.000 Dienstverhältnisse auf dem Zweiten Arbeitsmarkt.  

Für das AMS Wien stehen in Bezug auf den Zweiten Arbeitsmarkt in diesem Jahr die Jugendlichen im Fokus. „Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit der Stadt Wien an Beschäftigungsprojekten für arbeitslose BMS-Bezieherinnen und -Bezieher zwischen 18 und 24 Jahren, die weder durch Qualifizierung noch durch Arbeitsvermittlung derzeit realistische Chancen auf dem Jobmarkt haben“, kündigte Draxl an. Im Rahmen der Wiener Jugendunterstützung nimmt das AMS Wien gemeinsam mit der MA 40 für 200 Transitarbeitsplätze fünf Millionen Euro in die Hand. „Die Projekte starten noch diesen Herbst“, sagte Draxl.

 

Caritas im Einsatz für arbeitslose Menschen 

Allein im Jahr 2014 konnte die Caritas 1.245 Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Menschen in 87 Projekten in ganz Österreich anbieten. In Wien ist die Caritas gemeinsam mit dem AMS seit 26 Jahren mit Angeboten am erweiterten Arbeitsmarkt aktiv. Mit Projekten wie dem Restaurant „Inigo“ oder der „magdas Kantine“ sollen Menschen schrittweise an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden. In Wien hat die Caritas im Vorjahr knapp 1.000 langzeitarbeitslose Personen in verschiedensten Projekten betreut und begleitet. 400 zusätzliche Personen wurden beraten. Die Vermittlungsquote auf den ersten Arbeitsmarkt lag bei bis zu 40 Prozent.