Integrationsgespräche Korneuburg

Das Konfliktpotential in uns selbst erkennen

V.l.n.r.: Can Gülcü (Kulturschaffender), Stefan Revelant (Integrationszentrum NÖ, ÖIF), Dunja Larise (Philosophin), Helene Fuchs-Moser (Vizebürgermeisterin Korneuburg), Viola Raheb (Interkulturelle Beraterin, Universität Wien), Mustafa Aksit (Offene Jugendarbeit, Verein JUVIVO), Alicia Allgäuer (Caritas Wien), Hristina Dakic (Caritas Wien), Mary Kreutzer (Caritas Wien)


Mit dem Titel „Sprechen Sie Kultur?“ luden die Caritas und die Gemeinde Korneuburg am Donnerstag zur Diskussion über „Gemeinsamkeiten und notwendige Unterschiede“ ein.
Im Korneuburger Rathaussaal diskutierten Stefan Giovanni Revelant vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), die interkulturelle Beraterin Viola Raheb, der Jugendarbeiter Mustafa Akşit sowie die Philosophin Dunja Larise unter der Moderation von Can Gülcü. Die rund 35 Personen verteilten sich anschließend auf vier Tische, um im kleinen Rahmen mit den ReferentInnen weiter in die Tiefe zu gehen. „Wir diskutieren in einem Format, bei dem es im Idealfall auch zu kontroversen Debatten kommt“, so Mary Kreutzer von der Caritas.

Zum Begriff Kultur

Der Begriff „Kultur“ stammt aus dem Lateinischen, die Bedeutung des Wortes allerdings habe im Laufe der Jahrtausende etliche Veränderungen durchgemacht. „In der Zeit der Aufklärung schließlich wurde der Kulturbegriff als „Zivilisation“ übersetzt“, erläutert Larise die Begriffsgeschichte. Wichtig dabei sei es, Kultur nicht als starre und abgeschlossene Einheit zu sehen. Gleichzeitig betonte die Philosophin eine wichtige gesellschaftliche Funktion des Begriffes: „Für eine stabile Identität brauchen wir Menschen eine stabile symbolische Ordnung, die sich im Kulturbegriff ausdrückt.“ Was genau „Kultur“ sein soll, ist dabei im alltäglichen Gebrauch oft unklar: damit können Herkunftskulturen, Subkulturen oder auch Jugendkulturen gemeint sein. Über letzteres sprach Mustafa Akşit aus seiner langjährigen Erfahrung in der offenen Jugendarbeit. Über die Jahre hinweg begleitete er u.a. Jugendliche aus Ex-Jugoslawien, Tschetschenien und jetzt Syrien und stellte dabei fest: „Die Jugendlichen sind immer gleich, aber unser Zugang zu Ihnen in der Sozialarbeit hat sich geändert. Wir müssen sie ernst nehmen mit allem, was sie bereits mitbringen.“ 

Wenn es um die Integration von Neuzugewanderten geht, ist die Anforderung vonseiten des ÖIF klar definiert: „Zusammenleben kann nur dann funktionieren, wenn es auf Basis der gemeinsamen Werte stattfindet. Diese versuchen wir in unseren Kursen zu vermitteln, indem wir Hintergrundinfos geben und darüber mit den TeilnehmerInnen diskutieren“, beleuchtet Revelant den Zugang des ÖIF zum Thema. Raheb stellte eine weitergehende Frage in den Raum: „Es ist wichtig, dass sich Neuzugewanderte orientieren können, aber wie orientieren wir uns?“ Auch die Mehrheitsgesellschaft brauche Orientierung in einer pluralen Gesellschaft und müsse sich ein Stück weit bewegen. Sie versucht durch Ihre Arbeit, interkulturelle Kompetenzen im Umgang mit Menschen – insbesondere aus dem arabischen Raum – zu vermitteln: „Listen mit Dos und Don‘ts funktionieren nicht, wenn man mit konkreten Menschen zu tun hat“, unterstreicht sie in Ihrem Statement. „Interkulturalität beginnt schon in diesem Raum oder auch zwischen mir und meinem Sohn.“


Auch über Ängste müssen wir reden

Bei den Tischdiskussionen ging es unter anderem um das Thema Konflikte, die im Zusammenleben mit Neuzugewanderten entstehen können, sowie damit verbundene Ängste. Die Debatte über Angst zu enttabuisieren und offen zu thematisieren ist laut Raheb dabei wesentlich: „Wir sollten Angst als gesellschaftsverändernde und kreative Kraft wahrnehmen und ernst nehmen.“ Gleichzeitig stellte sich die Frage, wie gefährlich diese Ängste sein können: „Der heutige Diskurs über Migration wird von einer konstruierten Angst verstärkt.“ Ein Perspektivenwechsel kann dabei hilfreich sein: „Wir müssen das Konfliktpotential in uns selbst erkennen und uns damit offen auseinandersetzen“, so Larise. 

Der Bedarf nach Austausch war durchaus groß – nach der Veranstaltung wurde noch beim Büffet, das von geflüchteten Familien aus Korneuburg zubereitet wurde, eifrig weiter diskutiert.

"ZusammenReden" ist ein Projekt der Caritas Wien; Es wird vom Land NÖ gefördert und in Kooperation mit den Gemeinden Korneuburg, St. Andrä-Wördern, Neunkirchen und Ebreichsdorf durchgeführt.