(Um-)Orientierung durch Werte?

Am Bild v.l.n.r.: Can Gülcü (Kulturschaffender), Alicia Allgäuer (Caritas Wien), Clara Akinyosoye (Journalistin), Milica Himmer (Österreichischer Integrationsfonds), Julia Stranner (Basisbildnerin), Maximilian Titz (Bürgermeister), Rami Ali (Caritas Wien), Pelin Özmen (Caritas Wien)

"Werte machen Leute" – Volles Haus bei Integrationsgesprächen in St. Andrä-Wördern

Die neueste Auflage der diesjährigen Integrationsgespräche, welche die Caritas und die Marktgemeinde St. Andrä-Wördern am 28. Juni 2017 organisierten, beschäftigte sich mit der Frage „Werte machen Leute, und wer macht die Werte?“ Die rund 40 Teilnehmenden diskutierten, unter der Moderation von Journalistin Clara Akinyosoye, mit den ExpertInnen Milica Himmer, Can Gülcü, Julia Stranner und Rami Ali über das hochaktuelle Thema der Wertevermittlung an Neuzugewanderte. Die erfolgreiche Veranstaltung zeigte auf, dass trotz hohen Diskussionsbedarfs auch kontroverse Fragestellungen zum Thema „Werte“ sachlich thematisiert werden können.

Spannende Diskussionen über Wertevermittlung

Es brauche Orientierung und Werte, um in einer vielfältigen Gesellschaft ein gutes Zusammenleben und Beisammen zu fördern, erklärte Milica Himmer, Leiterin des Integrationszentrum Niederösterreich/Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF), die über die Werte- und Orientierungskursen des ÖIF berichtete. „Wenn Menschen bei uns im Land leben wollen, müssen sie Rechte und Grundwerte der österreichischen Gesellschaft anerkennen und akzeptieren“, so Himmer. Diese Wertevermittlung solle aber auf Augenhöhe und im aktiven Miteinander erreicht werden. Im Gegensatz dazu kritisierte Julia Stranner, Basisbildnerin und Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache, die verpflichtende Wertevermittlung innerhalb der Deutschkurse. Diese Wertekurse würden nämlich, laut Stranner, keine Orientierung ermöglichen, sondern „Um-Orientierung vorschreiben.“ „Es ist sehr fragwürdig, dass Menschen dazu verpflichtet werden, sich diese Werte und Orientierung anzueignen. Oder was noch schlimmer ist, dass angenommen wird, dass diese Menschen über gar keine oder die falschen Werte verfügen“, so Stranner. 

 

Unterscheidung zwischen Rechten, Haltungen und Werten

Die Differenzierung zwischen Grundrechten und Werten war für Can Gülcü, Kulturschaffender und Lehrbeauftragter an der Universität Graz, sehr wichtig, da „dies zwei vollkommen verschiedene Dinge sind“. „Wir reden über Werte, als ob das etwas Unveränderliches wäre. Wir reden nicht über Haltungen. Dabei hat jeder Mensch Haltungen.“, erklärte Gülcü. „Wir verhandeln, wie wir miteinander leben wollen und gießen es in ein Gesetz. Dies ist ein Prozess, der über Jahre stattfindet“, erläuterte der Kulturschaffende noch zum Zusammenhang zwischen Werten und Rechten. Auch der Politikwissenschaftler Rami Ali betonte die Relevanz der Unterscheidung zwischen Normen und Werten, da „Werte nicht sanktionierbar sind und nicht sanktionierbar sein können.“ In seiner Arbeit als Trainer in der Jugend- und Erwachsenenbildung beim Caritas Projekt Kompa habe er festgestellt, dass Normen und Gesetze vermittelt werden müssen und unabdingbar für das Funktionieren einer Gesellschaft seien. Werte allerdings könne man nur vorleben und attraktiv machen.

Der Austausch über Werte wurde am Ende des Abends beim Buffet angeregt weitergeführt.

Die nächsten Integrationsgespräche in St. Andrä-Wördern finden am 9. November 2017 statt. 

"ZusammenReden" ist ein Projekt der Caritas Wien. Es wird vom Land NÖ und dem Gewerblichen Berufsschulrat gefördert und in Kooperation mit den Gemeinden Korneuburg, St. Andrä-Wördern, Neunkirchen und Ebreichsdorf durchgeführt.