Caritas zum Weltflüchtlingstag: „Europa darf seine Verantwortung nicht länger abschieben!“

Anlässlich des Weltflüchtlingstags betont Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich: „Die Corona-Krise hat die Not geflüchteter Menschen zwar aus den Schlagzeilen verdrängt, doch ein Blick auf die Zahlen des Global Trends Bericht von UNHCR, ein Blick nach Bosnien und nach Griechenland machen deutlich: Wir werden uns mit den Herausforderungen und mit der Not von geflüchteten Menschen weiter auseinandersetzen müssen. Österreich und Europa haben hier massiven Handlungsbedarf.“ Laut aktuellsten Daten von UNHCR galten Ende 2020 bereits über 82 Millionen Menschen weltweit als vertrieben – so viele wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ungefähr die Hälfte aller Vertriebenen sind Kinder. 86 Prozent aller Geflüchteten finden in Entwicklungsländern Zuflucht. Nur ein geringer Anteil versucht, etwa auch Europa zu erreichen. Landau: „Wir dürfen diese Länder jetzt nicht alleine lassen. Europa darf hier seine Verantwortung nicht länger abschieben!“ Landau verweist auf eine aktuelle Studie der AK Wien, wonach die meisten Fluchtursachen auf Krieg, Armut, Hunger, Korruption oder Klimaerhitzung zurückzuführen sind. „Solange Krieg herrscht, solange Menschen in ihren Herkunftsländern keinen Schutz und keine Perspektive finden, und solange mit Waffenhandel viel Geld verdient wird – solange werden sich Menschen auf den Weg machen, auch nach Europa, auch nach Österreich. Die Globalisierung der Wirtschaft muss einhergehen mit einer Globalisierung der Solidarität und des Verantwortungsbewusstseins.“

„Genfer Flüchtlingskonvention darf nach 70 Jahren nicht suspendiert werden!“

Äußerst kritisch bewertet die Caritas vor diesem Hintergrund den Umgang mit schutzsuchenden Menschen an den EU-Außengrenzen. Landau: „Vor 70 Jahren wurde die Genfer Flüchtlingskonvention beschlossen. 70 Jahre später werden die Rechte von geflüchteten Menschen jedoch in einer Weise missachtet, wie wir es noch vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten hätten.“ Klaus Schwertner, gf. Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, benannte die Punkte bei einem Pressetermin konkret: „Die Tatsache, dass Griechenland Asylverfahren für Menschen, die aus Syrien, Afghanistan oder Somalia flüchten müssen, suspendiert, steht in krassem Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention. Dass Männer, Frauen und Kinder weiterhin in den griechischen Elendslagern im Dreck vegetieren müssen, ist inakzeptabel. Und auch der Umstand, dass Pushbacks im Mittelmeer mittlerweile an der Tagesordnung stehen, ist mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar. Hier stehen zu allererst Menschenleben, aber auch die oft zitierten Werte der Europäischen Union auf dem Spiel. Diese Politik des Wegschauens, des Verdrängens und der populistischen Parolen muss ein Ende haben. Dieser Populismus hat uns in eine humanitäre Sackgasse geführt und er hat die Not der Betroffenen nicht gelindert.“ Es gelte jetzt umso mehr, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen – das war auch Konsens eines Treffens des Caritas Präsidenten Michael Landau mit dem Präsident des Europäischen Parlaments David Sassoli vor wenigen Tagen: „Die EU muss gemeinsam handeln, um Leben zu retten und Schlepper zu bekämpfen. Das kann und darf nicht der alleinigen Verantwortung von Hilfsorganisationen überlassen bleiben.“


Caritas spricht sich für dreistufigen humanitären Aktionsplan aus


1. EU Pakt für Migration und Asyl
Die Caritas fordert deshalb eine nachhaltige und menschenrechtskonforme Ausgestaltung der europäischen Asyl- und Migrationspolitik im Rahmen des EU-Pakts für Migration und Asyl, mit der der Zugang zu Schutz in der EU und auch in Österreich erhalten bleibt. Landau: „Klar ist, nicht jeder, der Asyl beantragt, kann auch Asyl erhalten. Doch klar ist auch, dass jeder, der einen Asylantrag stellt, Zugang zu einem raschen, fairen und qualitätsvollen Verfahren haben muss. Es wird am Ende des Tages keine österreichische, keine französische, keine ungarische oder deutsche Lösung, sondern nur eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage geben. Und diese Lösung muss eine solidarische sein.“ Und Schwertner ergänzt: „Wer verhindern will, dass sich Menschen in die Hände von Schleppern begeben und den gefährlichen Weg über das Mittelmeer antreten, muss nicht nur die Bedingungen in den Herkunftsländern nachhaltig verbessern, sondern auch legale und sichere Zugangsmöglichkeiten zu Schutz eröffnen.“

2. Beteiligung an humanitären Aufnahmeprogrammen
Die Caritas appelliert an die österreichische Bundesregierung darüber hinaus, zumindest 100 Familien mit Kindern von den Elendslagern Griechenlands aufzunehmen und hier dem Beispiel anderer europäischer Staaten zu folgen. Österreich würde damit eine Tradition wiederaufnehmen, die es unter Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) begonnen hat. In den Jahren 2013 bis 2018 gab es in Österreich drei „Humanitäre Aufnahmeprogramme“ (Resettlement). Dabei wurden 1.250 anerkannte syrische Flüchtlinge aus der Türkei, dem Libanon und Jordanien auf sicherem und legalem Weg nach Österreich gebracht. Ähnliches wäre auch jetzt im Fall von Griechenland denkbar. Schwertner: „Die Erfahrungen, die hier gemacht wurden, waren positiv – und sogar die Türkis-Blaue Regierung hatte sich zu diesem Instrument in ihrem Regierungsübereinkommen bekannt. Vor diesem Hintergrund sollte ein solcher Schritt auch für die aktuelle Bundesregierung möglich sein. Zahlreiche Gemeinden unterschiedlichster Couleurs haben hier Bereitschaft zur Hilfe signalisiert.“

3. Deutliche Stärkung der Hilfe vor Ort
In einem dritten Schritt fordert die Caritas auch eine Bekämpfung von Fluchtursachen durch eine verstärkte Hilfe vor Ort. Landau: „In dem Wissen und mit der Wertschätzung, dass die österreichische Bundesregierung hier zuletzt ihr Engagement deutlich erhöht hat, ist klar: Hier wird es mehr Hilfe brauchen. Im Wesentlichen geht es um zwei Aspekte - um Nothilfe zur Deckung von akuten Bedürfnissen, und um Perspektiven abzuklären, wie Beratung bzw. Betreuung von Menschen auf der Flucht. Die fehlenden Mittel für das World Food Programme waren 2015 ein maßgeblicher Grund für die Fluchtbewegung. 2020 lag der Anteil der Entwicklungshilfe am Brutto-National-Einkommen bei lediglich 0,29 Prozent. Unsere Bitte, unsere Forderung lautet, eine schrittweise Erhöhung auf 0,7 Prozent wie auch im Regierungsabkommen festgelegt, umzusetzen.“

Die Caritas bittet um Spenden für Menschen auf der Flucht
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