„Das Pflegegerüst steht, aber wichtige Großbaustellen müssen noch bearbeitet werden“, fordert Caritas-Präsident Franz Küberl, zum Start der Caritas-Pflegekampagne 2008. Die Regierung habe zwar in letzter Minute vor den Wahlen noch wichtige Änderungen angekündigt, es fehle aber nach wie vor ein Gesamtkonzept, so Küberl. Dieses muss die Versorgungslücken schließen, wirksame Entlastungsangebote für pflegende Angehörige enthalten und die Finanzierung der Pflege und Betreuung nachhaltig klären.
Zur Finanzierung der Pflege und Betreuung regt die Caritas die Einrichtung eines Pflegelastenausgleichsfonds an, der aus Mitteln der Krankenversicherung, Länderbeiträgen, bestehenden Steuern sowie einer noch zu schaffenden Vermögensertragssteuer gespeist werden soll. Aus dem Topf sollen sowohl Sach- als auch Geldleistungen finanziert werden. Außerdem müsse auf die Leistungen ein Rechtsanspruch bestehen. Küberl: „Wir brauchen diese neue Form der Finanzierung – in Anlehnung an den Familienlastenausgleichsfonds –, um das Risiko der Pflegebedürftigkeit endlich aus der Sozialhilfelogik heraus zu holen: Es kann nicht sein, dass pflegebedürftige Menschen erst arm werden müssen, damit sie Unterstützung erhalten.“ Als „unverständlich und ungerecht“ bezeichnet der Caritas-Präsident die Tatsache, dass derzeit für ein und dasselbe Pflegepaket in Graz doppelt soviel gezahlt werden muss wie in Oberösterreich. Da einige Bundesländer nach wie vor nicht davor zurückschrecken, auf das Einkommen der Angehörigen zuzugreifen, fordert Küberl neben bundesweit einheitlichen Regeln auch die Abschaffung des Angehörigenregresses. Ein weiterer Baustein für ein tragfähiges Pflegegebäude sei eine jährliche Valorisierung des Pflegegeldes, ist Küberl überzeugt: „Die öffentliche Hand hat sich durch die unzureichende Valorisierung seit der Einführung 1993 bis Mitte 2008 unglaubliche 3 Milliarden Euro erspart. Die nächste Regierung muss neben der Valorisierung auch einen Stufenplan entwickeln, wie sie diesen Wertverlust ausgleichen wird.“
Landau: Pflegende Angehörige mit ihren Sorgen nicht alleine lassen!
Zwischen 75 und 80 % aller pflegebedürftigen Menschen werden von ihren Angehörigen betreut und gepflegt. „Wir dürfen diese Menschen, zum überwiegenden Teil sind das Frauen, die wirklich Großes leisten mit ihren Sorgen nicht alleine lassen!“, so der Wiener Caritasdirektor Michael Landau. „Insbesondere dringend erforderlich, das sagen uns die Menschen immer wieder, ist die stundenweise Entlastung von Angehörigen durch leistbare Betreuungsangebote“.
Die Caritas hat in Zusammenhang mit der zuletzt viel diskutierten 24-Stunden-Betreuung seit langem und immer wieder gesagt, dass dieses Modell nur ein Baustein im Pflegegebäude ist. „Die Lücke, die zwischen den bisherigen Angeboten wie etwa Heimhilfe oder Hauskrankenpflege und der 24-Stunden-Betreuung besteht, muss endlich geschlossen werden! Eine flexible und auch leistbare stundenweise Entlastung, wäre gerade auch für Angehörige von Demenzkranken eine große Hilfe“, so Landau.
Die Caritas fordert den bundesweiten Ausbau von leistbaren, flexiblen und vielfältigen Unterstützungs- und Entlastungsangeboten – von der Tagespflege über die stundenweise Betreuung bis hin zur Angehörigenberatung. Dafür müssen die notwendigen finanziellen Mittel bereit gestellt werden. Die Caritas fordert weiters die Schaffung eines Rechtsanspruchs für Angehörige auf eben diese Dienstleistungen.
Mit der „katastrophalen Datenlage“ spricht Küberl eine weitere Großbaustelle im Pflegebereich an: „Um Licht in den heimischen Pflegedschungel zu bringen brauchen wir jährlich erhobene österreichweit valide Daten für den Pflege- und Betreuungsbereich. Denn: „Derzeit wissen wir ja nicht einmal genau, wie viel insgesamt in Österreich für die Pflege ausgegeben wird, auch nicht wo die Menschen, abhängig von der jeweiligen Pflegestufe betreut werden. Ebenso fehlen Daten zum benötigten Personal. Das ist mit ein Grund dafür, dass zwar für den stationären Bereich Diplomierte Pflegekräfte ausgebildet werden, der mobile Bereich aber grob vernachlässigt wird.“
In der Pflegedebatte sei das Hospizthema vielfach zu kurz gekommen, so Caritasdirektor Michael Landau abschließend. Die Caritas fordert eine klare Finanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich. „Die professionelle palliative Versorgung von Menschen, die an einer nicht heilbaren fortschreitenden oder weit fortgeschrittenen Erkrankung leiden soll in das Allgemeine Sozialversicherungsgesetze (ASVG) sowie die Sozialversicherungsgesetze der anderen Berufsgruppen (SVGs) aufgenommen werden“, so Landau. Neben dem stationären Bereich sei auch der zügigen Ausbau und eine bessere Finanzierung der Mobilen Hospiz- und Palliativteams dringend erforderlich. Einen rechtlichen Anspruch auf die existenzielle Absicherung bei der Familienhospizkarenz fordert der Caritasdirektor. „Weil die Menschen gerade in dieser Zeit existenzielle Sicherheit brauchen“, so Landau.
An VertreterInnen der politischen Parteien appellieren die beiden Caritas-Verantwortlichen, dass sie sich jenseits von Wahlzuckerln und Kurzfristmaßnahmen für die Schaffung eines tragfähigen, nachhaltigen und zukunftsweisenden österreichischen Pflegegebäudes einsetzen: „Die Zukunft der Pflege und Betreuung geht uns alle an.“
MITEINANDER-FÜREINANDER
Unter diesem Motto werden im Rahmen der Kampagne verschiedene Aspekte des Alterns in Würde thematisiert. Die Caritas Österreich startet heuer zum dritten Mal nach 2004 und 2007 eine österreichweite Kampagne zum Thema Betreuen und Pflegen. Oberstes Ziel in diesem Bereich ist eine gleichberechtigte, respektvolle Beziehung zwischen dem pflegebedürftigen Menschen und dem jeweils anderen. Das Kampagnenmotto „MITEINANDER-FÜREINANDER“ drückt dies aus. Die Kampagne läuft von September bis Mitte Oktober. Diverse Aktivitäten wie „Tage der offenen Tür“, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen sollen in ganz Österreich das „Altern in Würde“ thematisieren und über das breite Angebot der Caritas informieren. Unterstützt wird die Kampagne von der Wiener Städtischen Versicherung und Pfizer als Hauptsponsoren sowie der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Apothekerkammer.
Im Bereich der Betreuung und Pflege betagter Menschen sind bei der Caritas -österreichweit rund 4.400 MitarbeiterInnen tätig. Dazu kommen 1500 Ehrenamtliche. Im Bereich der mobilen Dienste werden rund 1,8 Mio. Einsatzstunden geleistet. In 41 Senioren- und Pflegehäusern werden über 4.000 Menschen betreut und gepflegt. Die breite Angebotspalette reicht von Beratung über Besuchsdienste, Hauskrankenpflege, Unterstützung pflegender Angehöriger, betreubares Wohnen bis hin zu Senioren - und Pflegehäusern und Hospizbegleitung.