ZusammenReden in Krems: "MigrantInnen in Vereinen: Potenzial oder Integrationshürde?"

Trägt freiwilliges Engagement zur Integration von MigrantInnen bei?
Welche Hürden gibt es im Zugang von Vereinen zu MigrantInnen und umgekehrt?


Diese Fragen standen im Zentrum der Integrationsgespräche, die von der Caritas Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Stadt Krems und dem Verein Impulse – Krems Interkulturell organisiert werden. Mit dem interessierten Publikum diskutierten Hanife Anil (MA 17, Wien), Gerhard Urschler (Freiwillige Feuerwehr Krems), Christiane Gaar (Österreichisches Rotes Kreuz) und Irene Pilshofer (Caritas Wien, Freiwilliges Engagement) unter der Moderation von Mary Kreutzer (Caritas Wien, Missing Link).

Der Hintergrund ist unwesentlich – das Engagement zählt
Caritas, Rotes Kreuz und die Freiwillige Feuerwehr verstehen sich als offen für alle. „Dem Feuer ist es egal, ob es von einem Mann, einer Frau oder einem Migranten gelöscht wird – Hauptsache, es wird gelöscht“, bringt es Gerhard Urschler von der Freiwilligen Feuerwehr Krems auf den Punkt und fügt hinzu, dass es nicht auf die Herkunft, sondern auf die Haltung ankäme: „Es ist sicher nicht jeder dafür geboren, zur Feuerwehr zu gehen, doch ich habe noch kein Muster entdeckt, das von Nationalität, Geschlecht oder Religion abhängig ist – es ist eine Frage des Einsatzes, diesen Menschentyp suchen wir. Wir brauchen jeden und freuen uns über jeden, der uns unterstützt!“

Auf MigrantInnen zugehen, Kooperationen suchen
Irene Pilshofer von der Caritas merkte jedoch selbstkritisch an: „Große Organisationen beginnen sich erst jetzt zu fragen, warum wenige MigrantInnen kommen“. Hanife Anil von der MA 17 weiß zwei wichtige Gründe, sich nicht ehrenamtlich zu engagieren: „Erstens: Ich bin familiär ausgelastet. Zweitens: Ich wurde nicht gefragt.“ Wenn sich MigrantInnen nicht angesprochen fühlen, bleiben sie eher in den Vereinsstrukturen ihrer eigenen Communities, so Anil. Dabei wäre das Freiwilligenpotenzial für alle sozialen Einrichtungen erheblich. Anil rät den NGOs, gezielt die Kooperation mit lokalen MigrantInnenvereinen und Communities zu suchen. Christiane Gaar vom Roten Kreuz berichtet über sehr erfolgreiche Gemeinschaftsinitiativen in diesem Sinne, etwa die Aktion „Blutspenden verbindet!“. Gaars Ein¬schätzung: „Es wird daran gearbeitet, dass sich österreichische Organisationen öffnen“.

Vereinsleben und Alkoholkonsum – Barriere für MigrantInnen oder Klischee?
Eine provokante Frage warf die Moderatorin Mary Kreutzer ein: „Inwieweit kann das gesellige Vereinsleben, das in Österreich doch auch gern mit Alkoholkonsum verbunden ist, eine Hürde sein, speziell für religiöse Muslime?“ Urschler forderte ein zeitgemäßes Bild der Vereinsarbeit ein. „Natürlich ist Geselligkeit ein Spiegel der Gesellschaft, aber es stimmt sicher nicht, dass man in Vereinen zum Alkoholkonsum animiert wird. Der Umgang mit Alkohol ist viel verantwortungs¬voller geworden, insbesondere jener der jungen Generation“.

Freiwilligenarbeit als Pluspunkt für vorzeitige Staatsbürgerschaft
Kontroversiell waren die Meinungen darüber, dass seit der Novelle zum Staatsbürgerschaftsrecht ein dreijähriges freiwilliges Engagement als Kriterium für die vorzeitige Er¬langung der Staatsbürgerschaft gilt. Das Podium ist sich einig, dass ehrenamtliche Arbeit Brücken bilden kann und dazu beiträgt, sozialen Anschluss zu finden. Urschler und Murat Düzel vom NÖ Integrationsservice sehen das Gesetz hier als Impulsgeber, um eine Freiwilligenorganisation überhaupt kennenzulernen. Problematisch sei laut Pilshofer aber, „wenn der Zwang durch‘s Hintertürl hereinkommt. Dann bekommt das Engagement einen bitteren Beigeschmack“. Gaar bekräftigt: „Freiwilliges Engagement muss freiwillig bleiben“. Anil merkt auch kritisch an, dass gerade das Engagement von Frauen oft informell stattfände und nicht in Strukturen eingebettet sei. „Ein Buffet für eine Veranstaltung bereitstellen, den Saal dekorieren, eine alte Nachbarin betreuen, all das ist freiwillige Arbeit für die Gemein¬schaft, aber sie ist nicht sichtbar und wird nicht anerkannt“, so Anil.

Armut als Zugangshürde – „Freiwilligenarbeit muss man sich leisten können“
Dieses Statement von Pilshofer löste heftige Reaktionen im Publikum aus. „Was hat denn Freiwilligenarbeit mit dem Einkommen zu tun? Die Mitarbeit bei Vereinen ist ja gratis! Jeder kann mitmachen!“, so der Tenor etlicher DiskutantInnen. Andere entgegneten jedoch, dass es schwierig sei, sich für andere zu engagieren, wenn man sich täglich finanzielle Sorgen um Nahrung, Kleidung und Wohnen machen muss. „Es muss innere Ruhe und Stärke vorhanden sein, um helfen zu können – man muss dazu auch die Kraft haben. Dann kann man der Gemeinschaft etwas weitergeben“, resümierte Urschler.

„ZusammenReden“ wird vom Land Niederösterreich, dem Bundesministerium für Inneres, dem Europäischen Integrationsfonds, der Niederösterreichischen Dorf- und Stadterneuerung sowie den teilnehmenden Gemeinden gefördert.

Der vierte und letzte „ZusammenReden“-Abend in Krems findet am 6. November 2013 um 18.30 Uhr in der Musikschule, Hafnerplatz 2, zum Thema „Vielfalt als Chance“ statt.

Detaillierte Informationen zur Veranstaltungsreihe „ZusammenReden“ finden Sie unter: www.zusammenreden.net