Spannende Diskussion und emotionsgeladene Debatte beim zweiten Themenabend von „ZusammenReden“ in Neunkirchen
Das Thema Religion hat sich in den letzten Jahren zu einer Art Dreh- und Angelpunkt in vielen Migrations- und Integrationsdebatten entwickelt. Insbesondere die Rolle des Islam wurde zu einem zentralen Unterscheidungsmerkmal zwischen dem „Wir“ und dem „Anderen“ hochstilisiert. Mit dem Ergebnis, dass im öffentlichen Diskurs über Integration oftmals von einem „religiösen Konflikt“ die Rede ist. Rund 70 Besucherinnen und Besucher verfolgten am 6. April gespannt den zweiten von vier Themenabenden der Neunkirchner Integrationsgespräche, die von der Caritas der Erzdiözese Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Neunkirchen organisiert wird. Im kleinen Arbeiterkammersaal diskutierten die bosnisch-österreichische Politikwissenschaftlerin Dunja Larise gemeinsam mit Ernst Hofhansl (Evangelische Kirche Neunkirchen) und Irfan Buzar, Islamlehrer und Mitglied des Obersten Rates der IGGIÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich). Moderiert wurde der spannende Abend von Caritas-Mitarbeiterin Karima Aziz.
„Welche Rolle spielt Religion für die Integration von MigrantInnen?“ Mit dieser Frage eröffnete Aziz den spannungsgeladenen Diskussionsabend. Politikwissenschaftlerin Larise betonte, der Fokus der Öffentlichkeit liege viel zu stark auf Aspekten der kulturellen Integration. „Viel entscheidender ist es aber, Voraussetzungen und Möglichkeiten zu schaffen, um politische und soziale Integration zu gewährleisten.“ Politische und soziale Unzufriedenheit sind für sie demnach der Nährboden für religiösen Extremismus. IGGIÖ-Mitglied Buzar zur Situation des Islams in Österreich: „Der Islam ist in Österreich zwar anerkannt, wird von der Mehrheit der Bevölkerung jedoch nur geduldet“. Er kritisierte Politik und Medien, die Debatten rund um Kopftuch und Minarette provozieren würden. Das Tragen des Kopftuchs sieht er jedoch durchaus als religiöse Pflicht, was einige anwesende Musliminnen gänzlich anders sahen. Für Pfarrer Hofhansl liegt das Problem vor allem in der Bildung: „In vielen Köpfen herrschen falsche Bilder vor. Daher ist es umso wichtiger, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Religion darf nie für politische Zwecke missbraucht werden.“
Aufgrund der spürbaren Brisanz des Themas wurde das Publikum früher als geplant um Statements gebeten. Eines der ersten betraf gewaltbezogene Suren im Koran. Buzar versuchte daraufhin den Unterschied zwischen dem Islam als Religion und dem Volksislam klarzustellen: „Auch Muslime machen Fehler. Nicht alles, was ein Muslim macht, hat auch mit dem Islam zu tun.“ Auf die Frage, ob eine Christin einen Muslim heiraten dürfe antwortete Buzar: „Es ist natürlich erlaubt, ich würde es aber nicht empfehlen. Das erspart viele Debatten.“ „Nicht unbedingt die Position eines aufgeklärten und fortschrittlichen Muslimen“, meinte darauf Dunja Larise kopfschüttelnd. „Jedes Buch, auch die heiligen Schriften, sind der jeweiligen Interpretation ihrer LeserInnen unterworfen.“ Deshalb sei es wichtig, den säkularen Staat zu verteidigen, der nicht nur AnhängerInnen unterschiedlicher Religionen, sondern auch Nichtgläubige vertreten müsse. Der Neunkirchner Vizebürgermeister Martin Fasan zeigte sich von der kontroversen Diskussion begeistert. „Es gibt viele Spannungsfelder und wir als Gemeinde müssen lernen, damit umzugehen. Dafür ist es wichtig, uns und unsere Handlungen immer wieder zu hinterfragen.“
Nächste Veranstaltung zum Thema: Jugend und Bildung
Das nächste „ZusammenReden in Neunkirchen“ findet am 4. Mai 2011 im Vereinslokal des ATIGF (Arbeiter-, Jugend- und Kulturverein) in der Dr. Stockhammergasse 19 statt. Die Sprachwissenschaftlerin Katharina Briziæ wird dann gemeinsam mit Barbara Grill-Fasan (Volksschullehrerin Mühlfeldschule) und Veronika Baumkirchner (Projektleiterin NESIB) zum Thema Jugend und Bildung diskutieren. Moderiert wird der Abend von Birgit Kögler (Obfrau Verein Jugendförderung Neunkirchen). Beginn ist um 18.30 Uhr.
Die Gesprächsreihe „ZusammenReden“ findet in acht niederösterreichischen Gemeinden statt und wird vom Land Niederösterreich, dem Bundesministerium für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert. Alle weiteren Termine der Neunkirchner Integrationsgespräche finden Sie unter: www.zusammenreden.net/neunkirchen.