Nicht in Kategorien denken, Menschen in den Vordergrund stellen

Spannende Diskussion und rege Publikumsbeteiligung bei der Auftaktveranstaltung von „ZusammenReden“ in Ternitz

Was haben Nationalismen der einheimischen und der zugewanderten Bevölkerung mit Integration zu tun? Die Diskussion dieser Frage verfolgten rund 40 BesucherInnen am 13. April beim ersten von vier Themenabenden der Ternitzer Integrationsgespräche, die von der Caritas der Erzdiözese Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Ternitz organisiert werden. Im Sitzungssaal des Rathauses Ternitz diskutierte Stefanie Mayer vom Institut für Höhere Studien gemeinsam mit Thomas Rammerstorfer von der Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit und Hikmet Arslan vom Zentrum für Sozial- und Integrationsprojekte zum Thema Nationalismus und Integration. Moderiert wurde die interessante Diskussion von Herbert Langthaler (asylkoordination Österreich).

„Den Nationalismus gibt es nicht, sondern viele unterschiedliche Nationalismen, die aber alle problematisch sind“, stellte Mayer gleich zu Beginn des Abends fest. Rammerstorfer, der sich in seiner Arbeit stark mit Nationalismen unter Jugendlichen auseinandersetzt, meinte zu dieser Problematik: „Die Ausländerfeindlichkeit unter jungen Menschen hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Wir sprechen heute ganz klar von einem antitürkischen Rassismus.“ Mit sichtbaren Folgen auch in der türkischen Community. „Viele Jungendliche mit türkischem Migrationshintergrund finden sich in reaktionären türkischen Vereinen und Gemeinschaften wieder, wie den Grauen Wölfen.“ „Hier ist eindeutig ein Identifikationsproblem vorhanden“, gab Arslan zu bedenken. „Jugendliche mit Migrationshintergrund sitzen bildlich gesprochen oft zwischen den Stühlen. Solche Vereine bieten ihnen Zuflucht.“ Auch ein strukturelles Problem, wie Rammerstorfer feststellt: „In unserem Welser Stadtteil gibt es kein einziges Lokal für diese Jugendlichen, das nicht nationalistischen oder religiösen Gruppen gehört.“ Mayer wies darauf hin, dass Nationalismus in den letzten Jahren immer mehr zu einem Schichtproblem geworden ist. „Soziale Probleme werden zu kulturellen Problemen hochstilisiert. Das kann sehr gefährlich sein.“

Das Publikum brachte sich engagiert in die Diskussion ein. Bürgermeister Rupert Dworak: „In den Köpfen vieler Menschen haben sich falsche Vorstellungen festgesetzt. Die Politik müsste viel stärkere Signale setzen und zum Beispiel Türkisch als Maturafach als Selbstverständlichkeit betrachten.“ Hüseyin Uz von der mobilen Flüchtlingsbetreuung der Caritas wollte wissen, ob es so etwas wie einen gesunden Nationalismus geben kann. „Das glaube ich nicht“, lautete die Antwort von Mayer. „Persönliche Identität braucht keine nationale Identifikation. Die Nation ist nichts Natürliches und bedeutet immer Ab- und Ausgrenzung.“ Dem pflichtete auch eine andere Besucherin bei: „Integration heißt für mich, nicht in Kategorien zu denken, sondern jeden Menschen als Individuum wertzuschätzen.“

Das nächste „ZusammenReden in Ternitz“ findet am 12. Mai 2011 im Arbeiterheim in Pottschach, Siedlung III statt. Integrationsexperte Arif Akkiliç wird dann gemeinsam mit Raimund Pehm vom Tiroler Institut für Menschenrechte und Entwicklungspolitik und Zarife Duran von der Caritas zum Thema „Wohnen und Integration“ debattieren. Moderation: Hikmet Arslan (Zentrum für Sozial- und Integrationsprojekte). Alle weiteren Termine der Ternitzer Integrationsgespräche unter: www.zusammenreden.net/ternitz.

Die Gesprächsreihe „ZusammenReden“ findet in insgesamt acht niederösterreichischen Gemeinden statt und wird vom Land Niederösterreich, dem Bundesministerium für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert.