Interessante Debatte beim dritten Themenabend von „ZusammenReden“ in Tulln
Welche Rolle spielt Bildung, insbesondere das österreichische Schulsystem, für die Integration von MigrantInnen? Die Diskussion dieser Frage verfolgten am 18. Oktober rund 30 Besucherinnen und Besucher beim dritten Abend der Tullner Integrationsgespräche, die von der Caritas der Erzdiözese Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Gemeinde Tulln organisiert und vom Land NÖ, dem BM für Inneres und dem Europäischen Integrationsfonds gefördert werden. Im Minoritensaal des Rathauses diskutierte Integrationsexperte Simon Burtscher gemeinsam mit Montserrat Arias-Casellas (HLW Tulln) und Damien Agbogbe (Lehrer in Wien). Moderiert wurde der Abend von Tülay Tuncel (Wiener Integrationskonferenz).
„Integration und Bildung sind eng miteinander verknüpft“, leitete Tuncel den Abend ein. „Wie kann schulischer Erfolg in Österreich funktionieren?“ „Ich glaube, eine gemeinsame Sprache aller Schüler ist ein zentraler Erfolgsfaktor“, meinte Arias-Casellas. „Das stimmt sicher“, lautete Agbogbes Antwort. „Voraussetzung muss aber immer sein, dass alle Kinder die eigene Muttersprache beherrschen.“ Nur dann würden sie Deutsch – als gemeinsame Sprache – auch erlernen können. Simon Burtscher ergänzte: „Es müssen auch Eltern aus bildungsfernen Schichten unterstützt werden.“ Eine Ganztagesschule könne demnach positive Effekte haben, um Kinder aus sozial schwächeren Familien zu fördern. „Damit haben ich sehr gute Erfahrungen gemacht“, gab ihm Agbogbe recht. „Es ist auch unsere Aufgabe als Lehrer, einen Raum zu schaffen, in dem Lernen möglich ist." „Eltern brauchen eine positive Einstellung zu Bildung. Das ist ganz entscheidend für den Schulerfolg des Kindes“, warf eine Besucherin ein. Dem stimmte Burtscher zu. „Aber es gibt noch andere Kriterien, die für den Bildungsaufstieg erforderlich sind. Schlüsselpersonen, die als Türöffner dienen, sind ebenfalls notwendig.“ Auch der Freundeskreis würde eine große Rolle spielen, führt Burtscher weiter aus.
Hitziger wurde die Debatte, als es darum ging, ob sich SchülerInnen mit nicht-deutscher Muttersprache in den Pausen in ihren Erstsprachen unterhalten dürfen. Tullns Bürgermeister Peter Eisenschenk, der gleichzeitig Direktor der HAK Tulln ist, meinte dazu: „Bei uns ist in den Pausen nur Deutsch erlaubt.“ Grund: „Österreichische Schüler fühlen sich ansonsten ausgeschlossen.“ Dies würde zu Konflikten führen. Agbogbe kritisierte diesen Ansatz. „Ich finde das nicht zielführend. Wir müssen neugieriger aufeinander sein. Mit solchen Maßnahmen werden die Erstsprachen abgewertet.“ Dabei könnten alle von einem Austausch profitieren. Vizebürgermeisterin Susanne Schimek richtete einen Appell an alle Eltern mit Migrationshintergrund: „Sprecht mit euren Kindern in der Muttersprache!“ Die deutsche Sprache würde ihrer Meinung nach im Kindergarten und in den Schulen von selbst „passieren“. Simon Burtscher meinte zum Abschluss des Abends: „Wir müssen endlich beginnen, Chancengleichheit zu fördern.“ An unseren Schulen würde es vielerorts an der sozialen Durchmischung mangeln. Eine Gesamtschule könne diese Situation ändern. „Wenn eine Durchmischung gegeben ist, findet Sprache Lernen und schichtübergreifendes Kennenlernen von selbst statt.“
Der letzte Abend der Tullner Integrationsgespräche findet am 20. November 2011 im Minoritensaal des Rathauses statt. Die Autorin Julya Rabinowich wird an diesem Abend aus ihrem Werk lesen. Violinist Aliosha Biz (Volksoper, Dobrek Bistro) wird das Fest musikalisch gestalten. Beginn ist 17.00 Uhr.
Alle weiteren Informationen finden Sie unter: www.zusammenreden.net/tulln