Caritas und Stadtgemeinde Neunkirchen treten gegen Stammtischparolen auf und organisierten beim 2. ZusammenReden-Stammtisch ein Argumentationstraining
Rund 45 Besucherinnen und Besucher nahmen am 15. Mai am zweiten ZusammenReden-Stammtisch der „ZusammenReden“-Integrationsgespräche 2013, die von der Caritas Wien (Asyl & Integration NÖ) gemeinsam mit der Stadtgemeinde Neunkirchen organisiert werden, teil. Drei ExpertInnen zum Thema Argumentationstraining gegen Stammtischparolen waren eingeladen, um Neunkirchnerinnen und Neunkirchnern Strategien und Tipps für hitzige Stammtischdiskussionen mitzugeben: Karin Bischof, Kultur- und Sozialanthropologin und Trainerin bei ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, René Rusch, Politikwissenschafter und ebenfalls ZARA-Trainer und Inge Pinzker, Bewerbungstrainerin der Caritas Wien führten an drei Round Tables mit jeweils ca. 15 TeilnehmerInnen einen Workshop durch, um Bürgerinnen und Bürger zu ermächtigen, gegen Stammtischparolen und Pauschalverurteilungen aufzutreten. Die Ergebnisse der einzelnen Round Tables wurden abschließend im Plenum zusammengetragen. Moderiert wurde der Abend von Thomas Schmidinger, Politikwissenschaftler und Lektor an der Universität Wien sowie der FH Vorarlberg.
Beim ersten ZusammenReden-Stammtisch im April wurde offen über Herausforderungen des Zusammenlebens diskutiert. Das Publikum debattierte sehr reflektiert über Vorurteile und Stereotypen. „Beim zweiten ZusammenReden-Stammtisch wollten wir den Besucherinnen und Besuchern ein konkretes Handwerkszeug mit auf den Weg geben, wie man kontroversen Diskussionen am Stammtisch konstruktiv begegnen und zumindest Nachdenkprozesse beim Gegenüber anregen kann“, erklärt Birgit Haidenwolf von der Caritas das Ziel der Veranstaltung.
BesucherInnen des ZusammenReden-Stammtisches erklärten ihre Intention am Training teilzunehmen: „Ich bin meist so sprachlos, wenn jemand solche Parolen schwingt, ich will auf solche Totschlagargumente besser reagieren können“, erklärt eine Sozialarbeiterin den Grund für ihr Kommen. Eine Mutter erzählt von Freunden ihrer Kinder mit unterschiedlicher Herkunft, die immer wieder Anfeindungen aufgrund ihrer Nationalität ausgesetzt sind.
Im Argumentationstraining wurden unterschiedliche Stammtischparolen gesammelt und ihre Charakteristik analysiert: Schnell war den TeilnehmerInnen bewusst, dass Stammtischparolen abwerten, pauschalieren, aggressive Elemente in sich tragen, Intoleranz ausdrücken und meist auch mit Angst besetzt sind. Danach wurden die Ziele des Trainings erläutert: „Ich möchte meinen Widerspruch auf Stammtischparolen zum Ausdruck bringen.“
Gemeinsam wurden dann in drei Arbeitsgruppen Strategien und Techniken entwickelt, wie man Stammtischparolen begegnen kann. In kleinen Rollenspielen wurden Situationen am Stammtisch nachgespielt und die erlernten Techniken geübt. In der Analyse des Rollenspiels meinte eine Teilnehmerin: „Es ist schwierig gegen Parolen anzukommen, man fühlt sich sofort in der Defensive und findet nicht ausreichend Argumente dagegen, weil man nicht alle Statistiken kennt.“ Der Trainer René Rusch gab zu bedenken, dass man Stammtischredner nicht mit einem gegenteiligen Stereotyp – in der Art Rassist gegen Gutmensch – begegnen, sondern sein Gegenüber ernst nehmen sollte. Besonders durch nachdrückliches Nachfragen werden Parolendrescher unsicher.
Diskutiert wurde am Ende auch allgemein über Integration. Ein junger Mann wirft die Frage in den Raum: „Muss sich ein Mensch überhaupt integrieren?“ Auch der Moderator kennt Gesellschaftssysteme, in denen Parallelgesellschaften funktionieren. „Reicht es nicht, sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und geltende Gesetzesnormen zu einigen?“, fragte ein Sozialarbeiter nach. Eine Lehrerin regte mehr Begegnungsräume – wie etwa ZusammenReden – für persönlichen Austausch und ein gegenseitiges Kennenlernen an.
Die Neunkirchner Integrationsgespräche werden in Zusammenarbeit zwischen der Caritas Wien (Asyl & Integration NÖ) und der Stadtgemeinde Neunkirchen veranstaltet und vom Europäischen Integrationsfonds, dem Bundesministerium für Inneres, dem Land Niederösterreich und der niederösterreichischen Dorf- und Stadterneuerung gefördert.