Im Vorfeld des Weltflüchtlingstags fordern Patzelt (Amnesty), Küberl und Landau (beide Caritas) dringende Reformen in der heimischen Asylpolitik.
Heinz Patzelt, Franz Küberl und Michael Landau verwiesen heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien anlässlich des diesjährigen Weltflüchtlingstages auf Missstände im österreichischen Asylwesen. Gleichzeitig schlugen sie menschenrechtskonforme Lösungen vor.
Weltweit befinden sich laut UNHCR knapp 42 Millionen Menschen auf der Flucht. Allein in Syrien sind aufgrund des grauenhaften Bürgerkriegs rund 3,3 Millionen Menschen heimatlos geworden. Täglich werden in den Nachbarländern Libanon, Jordanien und der Türkei 7.000 neue Flüchtlinge registriert. 93.000 Menschen sind dem Bürgerkrieg bereits zum Opfer gefallen.
„Wenn Deutschland – ein Land, das in etwa zehn Mal so viele Einwohner hat wie Österreich und in dem ebenfalls im Herbst Wahlen anstehen – nun spontan 5000 zusätzliche Syrer aufnehmen kann, stellen wir uns schon die Frage: Wieso ist Österreich – ein Land, in dem auf 1000 Einwohner gerade einmal 2,1 Asylwerber kommen – nicht ebenfalls im Stande, zumindest einigen Hundert Syrern zusätzlich zu helfen“, kritisierten Caritas und Amnesty unisono.
Patzelt, Küberl und Landau benannten bei der Pressekonferenz darüber hinaus fünf konkrete Lösungsansätze die dabei helfen sollen, zentrale Baustellen im heimischen und europäischen Asylwesen zu beheben. „Wir haben in vielen Bereichen nach wie vor dringenden Handlungsbedarf – etwa wenn es darum geht, einheitliche Standards in der Grundversorgung sicherzustellen oder AsylwerberInnen zum Arbeitsmarkt zuzulassen“, hielt Franz Küberl, Präsident der Caritas fest. „Die Verfahrensordnung im Asylbereich gehört darüber hinaus in zentralen Bereichen dringend reformiert“, ergänzte Caritasdirektor Michael Landau. „Wir sind teilweise weit von fairen und qualitätsvollen Asylverfahren entfernt. Noch immer ist der Anspruch auf Rechtsberatung für Flüchtlinge in Österreich lückenhaft. Das ist hoch problematisch.“
Heinz Patzelt von Amnesty International Österreich ging in seinem Statement auf die aktuelle Debatte auf europäischer Ebene ein. Immerhin einigten sich die EU-Mitgliedstaaten vor einigen Tagen auf ein gemeinsames Asylsystem. Aus Sicht von Caritas und Amnesty orientiert sich dieses gemeinsame Vorgehen aber noch immer vornehmlich an der Sicherung der Außengrenzen und nicht am Schutz der Flüchtlinge. "Wenn die Europäische Union Zone der Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte sein will, ist die Abschottung der Außengrenzen auf Kosten von Menschenleben absurd. Ich halte das für menschenrechtlich
unerträglich!", hielt Patzelt fest. „Für die Flüchtlinge bleibt das Asylverfahren trotz der angestrebten Reform nach wie vor ein Lotteriespiel.“
Der Forderungskatalog
Zusammenfassend stellten die Vertreter der beiden Organisationen fünf Forderungen an die heimische Bundesregierung.
- Öffnung des Arbeitsmarkts: „Wir fordern einen effektiven Arbeitsmarktzugang nach 6 Monaten für AsylwerberInnen“, hielt Küberl fest. „Zudem sollte eine Umgestaltung der Rahmenbedingungen in der Grundversorgung erfolgen, zum Beispiel sollten die Zuverdienstgrenzen, die aktuell nur bei 110 Euro liegen, angehoben werden.“
- Faire und qualitätsvolle Aslyverfahren: „Wir fordern eine kontinuierliche, gut zugängliche, kostenlose und alle Bereiche abdeckende Rechtsberatung und Rechtsvertretung im Asylverfahren“, betonte Landau. „Nur so können faire Verfahren gewährleistet werden.“ Der Caritasdirektor fordert die Bundesregierung zusätzlich auf, Abschiebungen in Länder zu überdenken, die sie für ihre eigenen Bürger als zu gefährlich erachtet und daher vor Reisen dorthin ausdrücklich warnt. „Es kann nicht sein, dass der Wert des Lebens und die Schutzbedürftigkeit eines Menschen von dessen Staatsbürgerschaft abhängen.“
- Qualitätsvolle Grundversorgung: „Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat letzten Sommer festgestellt, dass Grundleistungen, die Asylwerberinnen undAsylwerber während ihres Verfahrens erhalten, einem menschenwürdigen
Existenzminimum entsprechen müssen, um nicht menschenrechtswidrig zu sein. Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht relativierbar. Diesem Grundsatz muss sich auch Österreich endlich verpflichtet fühlen."
- Echte Reform des EU-Asylsystems: "Als Trägerin des Friedensnobelpreises muss die Europäische Union ihrer Verantwortung für Flüchtlinge endlich gerecht werden und das EU-Asylsystem in volle Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention
bringen!"
- Recht auf Bildung: „Das Recht auf Bildung sollte - als Menschenrecht - daher auch jungen Asylsuchenden bei ihrer Ankunft in Österreich uneingeschränkt zustehen. Viele Kinder und ihre Familien haben oft Furchtbares durchgemacht und auch die Lebensumstände im Gastland sind für sie häufig sehr schwierig. Die Schule aber würde den jungen Flüchtlingen eine positiv erlebte Tagesstruktur bieten und ein Gefühl von Normalität und vor allem Stabilität vermitteln. Und sie gibt vor allem Hoffnung“, forderte Franz Küberl.