Unter dem Motto „Selbstbestimmt leben“ luden Interessenvertreter*innen aus Tagesstätten und Wohngruppen der Caritas zu einem Pressefrühstück ins OBENauf, eine von Menschen mit Behinderung geführte Frühstückspension im Weinviertel. Der Austausch, der im Vorfeld des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung am 3.12. stattfand, behandelte wichtige Anliegen von Menschen mit Behinderung etwa das Recht auf Barrierefreiheit, das Recht auf Information und das Recht auf selbstbestimmtes Leben.
„Österreich hat sich mit der UN-Behindertenrechtskonvention klar zu echter Inklusion verpflichtet. Doch derzeit erleben wir eher Rückschritte als Fortschritte – besonders im Bildungsbereich. Wir erinnern daran: Inklusion ist kein nettes Extra, sondern ein Menschenrecht. Und wir fordern, dass dieses Recht endlich konsequent umgesetzt wird – für die volle Teilhabe aller Menschen“, betont Sabine Benczur-Juris, Bereichsleitung Menschen mit Behinderung der Caritas der Erzdiözese Wien.
Caritasdirektor Klaus Schwertner bezog sich auf die jüngsten Sparmaßnahmen, die auch Menschen mit Behinderung betreffen. Zuletzt musste etwa das Sozialpsychiatrische Zentrum der Caritas in Wien aufgrund fehlender Finanzierung der Stadt nach rund 40 Jahren schließen. „Sparen sollte nicht auf dem Rücken jener passieren, die ohnedies schon unter Druck stehen – auch und gerade dann nicht, wenn es um Menschen mit Behinderung geht. Wenn Einrichtungen schließen müssen, weil die Finanzierung fehlt, trifft das jene am härtesten, die ohnehin mit hohen Barrieren leben. Bei allen finanziellen Zwängen von Bund, Ländern und Gemeinden müssen wir eines im Blick behalten: Armut zu bekämpfen, Inklusion zu stärken und ein gutes Leben für alle Menschen zu gewährleisten. Wir sollten in diesen Wochen und Monaten keine Maßnahmen setzen, die zu weiteren Benachteiligungen führen. Denn jeder Schritt zurück trifft unsere Gesellschaft als Ganzes.“
Selin Sahinci, Interessenvertreterin aus Rannersdorf: „Auch wir haben ein Recht auf Leben, das wir so führen wollen, wie wir es uns wünschen. Wir sollen alle Möglichkeiten haben, die uns zustehen, wie jeder Mensch! Wir wollen selbst Entscheidungen treffen, in allen Lebensbereichen. Jeder Mensch mit Behinderung hat Fähigkeiten, Talente und Leidenschaften – auch wenn man sie nicht gleich sieht. Es ist ein großes Problem, dass uns viele unterschätzen oder überschätzen. So wird man oft nicht wahrgenommen. Wir wollen, dass unsere Anliegen gehört, respektiert und angenommen werden!“
„Österreich hat 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben, das ist ein Vertrag. Österreich muss sich an diese Konvention halten!“ betont Johannes Wickenhauser, Interessenvertreter aus Retz, und weiter: „Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung ist wichtig, weil Menschen mit und ohne Behinderung noch immer nicht die gleichen Chancen und Rechte haben. ZB. in der Schule, in der Arbeit oder in der Freizeit. Alle Menschen verdienen die gleichen Chancen im Leben.“
Bernhard Kopp, Interessenvertreter aus Mühlbach bezog sich ebenfalls auf die UN-BRK, in der steht, dass jeder Mensch sich seinen Aufenthaltsort aussuchen können sollte. Er betonte: „Das bedeutet, dass jede Person entscheidet, an welchem Ort sie wohnt, ob sie alleine oder mit anderen Personen zusammenwohnen will und wo und was sie arbeitet. Das bedeutet aber auch, dass Menschen mit Behinderung ohne Hindernisse selbstbestimmt leben können, ZB dass Busse auch in Niederösterreich barrierefrei sind und Bahnhöfe einen Aufzug haben. Alle Gebäude sollen barrierefrei sein, zB. Kaffeehäuser, Restaurants, Arztpraxen und vieles mehr.“ Barrierefreiheit umfasse auch das Recht auf Information. „Menschen mit Behinderung müssen Informationen bekommen. Zum Beispiel Vorleseprogramme, Leichte Sprache, Blindenschrift und Unterstützte Kommunikation. Dafür muss Österreich sorgen.“
„Alle Menschen müssen mehr über Menschen mit Behinderung wissen.“ Auch das stehe in der UNBRK, betont Raphael Leonardelli, Interessenvertreter aus Laa. „Es darf keine Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung geben. Menschen mit Behinderung dürfen nicht diskriminiert werden. Das bedeutet: Alle Menschen müssen die Reche von Menschen mit Behinderung beachten. Menschen mit Behinderung müssen gleichbehandelt werden. Menschen mit Behinderung haben Stärken und Fähigkeiten. Sie sind wertvoll für die Gesellschaft. Auch sie haben ein Recht auf Arbeit und einen fairen Lohn.“ Dafür müsse Österreich die Gesellschaft über Menschen mit Behinderung informieren, welche Rechte Menschen mit Behinderung haben, wie man mit ihnen umgeht, wie man unterstützen kann und welche Unterstützung sie benötigen.“
Eine Vielzahl von Aktionen rund um den 3.12. in Wien und Niederösterreich
Das Pressegespräch eröffnet eine Reihe von Aktivitäten rund um den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung. Am 2. Dezember setzt die Caritas in St. Pölten gemeinsam mit LH Johanna Mikl-Leitner ein starkes Zeichen: Der Klangturm wird lila beleuchtet – eine Farbe, die österreichweit für Inklusion, Teilhabe und Vielfalt steht. In Niederösterreich schließen sich zahlreiche Orte an: Unter anderem erstrahlen das Gemeindeamt und die Mariensäule in Retz, die Wallfahrtskirche, die Caritas-Tagesstätte und das Wohnhaus Franziska in Lanzendorf sowie der Wasserturm in Wiener Neustadt in kräftigem Lila. In Wien wird am 3.12. im Kulturhaus Brotfabrik die Ausstellung „Gesichter der Vielfalt“ gezeigt, die mit über 70 großformatigen Fotografien der Mediengruppe Krumbach die Einzigartigkeit von Menschen mit und ohne Behinderung sichtbar macht.
