Junger Erwachsener auf der Straße

Endlich volljährig – und jetzt? Hilfsorganisationen fordern Verbesserungen für Care Leaver und junge Erwachsene

Zum Internationalen Care Day am 16. Februar 2024 machen österreichweit Hilfsorganisationen auf die schwierige Situation der Care Leaver aufmerksam, die von der Jugendhilfe betreut wurden, weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren Familien aufwachsen konnten. Die Versorgung dieser jungen Erwachsenen endet im Normalfall mit Erreichen der Volljährigkeit. „Für die meisten jungen Menschen ist der 18. Geburtstag ein aufregender Meilenstein, auf den sie sich freuen. Für fremduntergebrachte junge Menschen bedeutet dieser Tag oft das Gegenteil. Sie werden aus ihrem gewohnten Umfeld entlassen, verlieren ihre Versorgung und somit oft ihr einziges Sicherheitsnetz. Während andere junge Menschen durchschnittlich erst mit 25 Jahren von zuhause ausziehen und sich auch darüber hinaus meist auf den Rückhalt der Familie verlassen können, sind Care Leaver früh zur Selbstständigkeit gezwungen“, betont Tom Adrian, Leiter der Jugendnotschlafstelle a_way der Caritas der Erzdiözese Wien und einer der Hauptorganisatoren des heurigen Care Day, gemeinsam mit Diakonie Österreich, Heilsarmee, Wiener Hilfswerk, neunerhaus, SOS-Kinderdorf, Volkshilfe Wien, Pro Juventute und Affido.

Die Krisen der letzten Jahre haben die Situation für junge Menschen noch einmal mehr verschärft. Leistbarer Wohnraum ist rar – für viele Care Leaver bleibt ab dem 18. Geburtstag dann nur der Weg in die Wohnungslosenhilfe. Und dort gibt es wenig spezifische Angebote für junge Erwachsene, obwohl rund ein Drittel aller Klient*innen der Wiener Wohnungslosenhilfe unter 30 Jahre ist. Wenn zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Obsorge der Kinder- und Jugendhilfe noch keine Ausbildung abgeschlossen ist, sind Care Leaver zusätzlich mit Armut und Arbeitslosigkeit konfrontiert. Flächendeckende Strukturen, die ihnen ausreichende Unterstützung und verlässliche Betreuung bis ins frühe Erwachsenenleben und somit eine faire Chance auf ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben ermöglichen, fehlen. Unter gewissen Umständen können die Hilfen der Kinder- und Jugendhilfe zwar verlängert und bis zum 21. Geburtstag bezogen werden, allerdings gibt es darauf keinen Rechtsanspruch und die Regelung ist in jedem Bundesland verschieden. Einige Bundesländer haben die Betreuungslücke bereits erkannt und Angebote für Care Leaver geschaffen. Nichts desto trotz fehlen einheitliche österreichweite Standards, die eine gute Versorgung junger Menschen garantieren.

Fachtagung bringt Expert*innen, Betroffene und Politik miteinander ins Gespräch

Bei der Fachtagung gibt es neben Vorträgen von Expert*innen zu nationalen und internationalen Best-Practice-Beispielen auch viel Raum für Diskurs. In einer Podiumsdiskussion tauschen sich Care Leaver, Organisationen, politische Vertreter*innen und wissenschaftliche Expert*innen über die aktuellen Problemstellungen und mögliche Lösungen aus. Dabei steht die Erfahrung von Betroffenen im Zentrum der Veranstaltung. Vorstandsmitglieder des Care Leaver Selbstvertretungsvereins Österreich teilen ihre Erfahrungen und sprechen über konkrete Herausforderungen. Vorstandsmitglied Alexandra Weiß beschreibt es so: „Andere Jugendliche haben ihre Eltern, auf die sie sich meist verlassen können. Kinder und Jugendliche, die fremd untergebracht wurden, aber nicht. Wenn wir Care Leaver mit finanziellen Problemen kämpfen, emotional belastet sind, oder Unterstützung bei der Ausbildungs- und Wohnungssuche brauchen, dann wäre es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass wir jemanden haben, der uns hilft und auch den existenziellen Druck, unter dem wir ständig stehen, abfedert. Wir wünschen uns nichts Außergewöhnliches, nur die gleichen Chancen, wie unsere Altersgenossen auch!“

Im Rahmen der Fachtagung zeigt der Marktplatz der Bundesländer verschiedene Zugänge und Angebote in der Arbeit mit und für Care Leaver und macht deutlich, wie unterschiedlich das Angebot und die Versorgungslücken österreichweit ausgestaltet ist.

Der Care Day wird von vielen Mitveranstalter*innen getragen. Dazu zählen u.a. Diakonie Österreich, Heilsarmee, Wiener Hilfswerk, neunerhaus, SOS-Kinderdorf, Volkshilfe Wien, Pro Juventute, Affido und einige kleinere Vereine sowie Dachverbände und die Caritas der Erzdiözese Wien. Die Organisationen sind sich einig: „Viele junge Menschen, die fremduntergebracht aufgewachsen sind, haben in ihrem Leben schon viel mitgemacht. Umso wichtiger wäre eine verlässliche Unterstützung auf dem Weg in ein stabiles Erwachsenenleben. Dass die Qualität und Dauer der Betreuung von der Postleitzahl oder individuellem Glück der Menschen abhängt, ist inakzeptabel. Es braucht dringend eine Gesamtstrategie mit österreichweit einheitlichen Regelungen und einen Rechtsanspruch auf Betreuung bis zum 21., bestenfalls sogar 24. Lebensjahr, um die ungleichen Startbedingungen für Care Leaver auszugleichen.“ Und weiter: „Sowohl die Bundesregierung als auch die Wiener Landesregierung haben sich in ihren Regierungsabkommen Verbesserungen für Care Leaver vorgenommen. Wir appellieren an die Verantwortlichen, diese endlich umzusetzen.“

Konkret wird neben der Vereinheitlichung und Verlängerung der Betreuung auch die Möglichkeit gefordert, nach einseitiger Beendigung der Betreuung wieder in Einrichtungen zurückzukehren. Zudem machen sich Expert*innen für flexible Formen der Unterstützung stark, um auf die jeweiligen Bedürfnisse der Care Leaver eingehen zu können.